Charakterliches: Lucifer Candle ist den Neo-Expressionisten zuzuordnen und orientiert sich in seinen Werken deutlich an Salomé („Die jungen Wilden“) und Ernst Kirchner („Die Brücke“). Die bevorzugt mit Acrylfarben, Pastellkreiden und Kohle auf Leinwand oder Tapete gemalten Bilder zeigen abstrahierte menschenähnliche Gestalten, Geisterstädte und geometrische, meist kantige Formen. Die Farbwahl orientiert sich an der itten'schen Lehre der Kontraste, wobei der Komplementär-Kontrast (z.B.: violett – gelb) am häufigsten auftritt. Auffällig hierbei ist, dass dieser im Normalfall für einen harmonierenden Ausgleich sorgt, während Candles Bilder
aufgewühlt,
düster und
isoliert erscheinen. Dieser Eindruck verstärkt sich durch den Gebrauch zahlreicher Splitterformen, welche
Instabilität und
Aggression zeigen. Letzteres spiegelt sich auch in der schnellen und impulsiven Pinselführung wieder. Ein wichtiger Faktor zur Interpretation von Candles Malereien ist besonders seine Farb- sowie die allgemeine Symbolik. Nach eigener Aussage ist er der Meinung, übermäßige Deutungsversuche führten lediglich in die Irre, während die ursprüngliche Bedeutung von Anfang an offensichtlich sei. Somit ist die dunkle Farbgebung tatsächlich ein Anzeichen für
Depression und
Selbstzerstörung, während es sich bei den geradezu deformierten Körpern seiner Menschen um Darstellungen seines eigenen Körperempfindens handelt. So wie eine Fotografie mehr über den Fotografen aussagt, als über das Motiv sagen auch Lucifer Candles Bilder einiges über ihn aus. Die angeblich zufällige Farbwahl folgt einem relativ einfachen Muster, sodass ihnen eine gewisse Symbolfunktion zuteil wird. Warme Farben drücken hier
Aggression (orange, rot) aber auch
Hilflosigkeit (gelb), also Empfindungen in Verbindung mit sozialer Interaktion aus, während sich kalte Farben (blau, grün, violett) auf sein
destruktives Innenleben konzentrieren. Aufgrund der scheinbaren Unveränderlichkeit seiner Bilder, der
Akzeptanz des Inakzeptablen, gilt die Malerei des jungen Neo-Expressionisten zwar als „
äußerst ausdrucksstark“ und „
beunruhigend ehrlich“, wird aber auf der anderen Seite bereits als „in ihrer Negativität
erschreckend langweilig“ kritisiert.
Tatsächlich ist Candle weit davon entfernt, als eigensinniger Künstler zu gelten, obwohl seine
herablassende Haltung und die
distanzierte Arroganz ihn zu einem vergleichbar nervenaufreibenden Zeitgenossen machen. Er befindet sich, wie in seinen Bildern offensichtlich ist, an einem Wendepunkt seines Lebens und ist psychisch wie kreativ zum
Stillstand gekommen. Seine Bilder zeigen die Aggression, Depression und Isolation die Betroffene von
Essstörungen erleben. Die Krankheit selbst wird in seinen Werken zwar nicht direkt personifiziert, ist aber der stärkste Antrieb für seine künstlerische Tätigkeit. Nachdem er durch ein Reinke Ödem – einer Flüssigkeitsansammlung in den Stimmlippen, begünstigt durch häufiges Erbrechen in Folge seiner Bulimie – seine Stimme verlor widmete sich er der Malerei. Hier fanden seine angestauten Gefühle Ausdruck und es war ihm gleichzeitig möglich, seine
Impulsivität unter Kontrolle zu bringen. Lucifer Candle ist von sich aus kein rücksichtsloser oder gar „schlechter“ Mensch, neigt aber zur
Abstoßung jeglicher sozialer Kontakte, sowie dazu sich
per se im Recht zu fühlen. Auf der einen Seite steht hierbei sein
Krankheitsbewusstsein und auf der anderen seine
Sturheit, aber auch die
Abhängigkeit von seinem jetzigen kranken Zustand. Aus dem Wunsch nach Anerkennung von außen, aber auch nach dem Erreichen seiner eigenen, krankheitsbedingten Ziele entsteht ein Teufelskreis, der durch weitere negative Faktoren wie
Angstzustände und
Misstrauen zusätzlich verstärkt wird. Aufgrund seines einzelgängerischen Auftretens und des verletzend-zynischen Charakters ist es ihm gelungen, einen Ausnahmezustand zu schaffen, indem er selbst eine Distanz von seinen Mitmenschen wünscht und diese auch aufrecht erhält, sich gleichzeitig aber bewusst ist, dass er eine Fortschreitung seiner psychischen Erkrankungen zusätzlich begünstigt. Gleichzeitig erkennen Außenstehende zwar Anzeichen für seinen Zustand, sehen sich aber nicht in der Lage ihm – in welcher Form auch immer – beizustehen, zumal er frustrierenderweise darauf besteht, in diesem zu verharren.
Zusammenfassend handelt es sich bei Lucifer Candle um einen im Grunde zwar realistischen, letztendlich aber krankheitsgesteuerten jungen Mann in kritischem Zustand. Seine ursprünglichen Charaktereigenschaften, die in seltenen Fällen noch erkennbar erscheinen, werden von seiner Krankheit, aber auch von seinem durchaus übermäßigen Krankheitsbewusstsein überlagert, die seine Identität scheinbar untrennbar mit der Essstörung verschmelzen lässt. Auf Außenstehende erscheint sein Verhalten zwanghaft, destruktiv und unlogisch, aber auch gelegentlich egoistisch, während er sich selbst als missverstanden und wertlos erachtet.
STÄRKE 1 STÄRKE 2 STÄRKE 3 STÄRKE 4 | SCHWÄCHE 1 SCHWÄCHE 2 SCHWÄCHE 3 SCHWÄCHE 4 |
Vorlieben: mind. 3
Abneigungen: mind. 3